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Absturz der Parteiendemokratie?

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Beschreibung

Einleitung Die Entwicklung der modernen Demokratievorstellungen war von Anfang an durch tief greifende Widersprüche gekennzeichnet. "Demokratie" sollte Herrschaft des Volkes bedeuten. So viel war klar. Aber was hieß "Herrschaft des Volkes" praktisch gesehen? Unter den vielfältigen Antworten, die auf diese Frage gegeben wurden, ragten frühzeitig zwei hervor, die nach allgemeiner Auffassung einen diametralen Gegensatz verkörperten. Die insbesondere von J. J. Rousseau verkündete erste Antwort lautete, dass jeder Einzelne unmittelbar an der Ausübung der politischen Entscheidungsfindung beteiligt werden sollte. Das hauptsächliche Instrument der demokratischen Praxis sollte dementsprechend die Volksabstimmung sein, die de facto mehr oder weniger permanent stattfinden sollte und an der im Idealfall alle Vollmitglieder der Gesellschaft mitwirken sollten. Die zweite Antwort lautete dagegen, dass die politische Entscheidungsfindung auf eine überschaubare Zahl von "Delegierten" übertragen werden sollte, die in einem "Parlament" zusammenkommen sollten. Es sollte dort eine "deliberative", das heißt, aufgeklärter Vernunft Raum gebende Erörterung der allgemeinen Angelegenheiten stattfinden. Darin wurde ein entscheidender Unterschied zur Monarchie gesehen, die in der persönlichen Wünschen und Neigungen folgenden Willkür eines Einzelnen kulminierte. Das zentrale Instrument der demokratischen Praxis sollte die Wahl der Parlamentsmitglieder sein, auf die sich die demokratische Beteiligung der wahlberechtigten Gesellschaftsmitglieder konzentrieren und beschränken sollte. Diese Wahl sollte im Idealfall eine allgemeine, unmittelbare, gleiche, freie und geheime Wahl sein. Außerhalb der periodisch anzusetzenden Wahlen sollte die Demokratie sich aber praktisch gesehen im überschaubaren Kreis gewählter Repräsentanten vollziehen. Anfangs wurde darüber gestritten, ob die "Bürger/innen" berechtigt sein sollten, ihren Delegierten - im Sinne eines "imperativen Mandats" - Aufträge mitzugeben oder zu erteilen, oder sie eventuell während der Amtszeit zwischen den Wahlen individuell oder in ihrer Gesamtheit abzuwählen. Auf breiter Front setzte sich aber schon in der Geburtsstunde der Demokratie, wie auch bei einer überwiegenden Zahl nachfolgender Demokratiebegründungen, die "parlamentarische" oder "repräsentative" Variante ohne imperatives Mandat durch. Damit erhielt die allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahl, die ihre endgültige Form allerdings erst im Verlauf eines längeren Entwicklungsprozesses fand, eine weithin gültige Zentralstellung als Garant demokratischer Verhältnisse. 1. Die Entwicklung der repräsentativen Demokratie Repräsentative Demokratie als Parteiendemokratie Im Rückblick lässt sich zusammenfassend feststellen, dass sich die repräsentative Demokratie auf breiter Front als siegreich erwies. Im Grunde genommen erlebte sie - auch angesichts einer zunehmenden Zahl von Ländern, die sich zu ihr entschlossen - eine sich scheinbar unablässig steigernde Erfolgsgeschichte. Hierbei wurde keine "radikale" Linie verfolgt. Vielmehr wurde in der Regel die Möglichkeit eingeräumt, parlamentarische Beschlüsse im Fall schwerwiegender Konflikte zwischen den politischen Entscheidern und größeren Teilen der Bevölkerung durch Volksabstimmungen außer Kraft zu setzen. Diese Möglichkeit bestand auch in der Weimarer Republik. Es blieb der Bundesrepublik Deutschland vorbehalten, unter Erinnerung an die Verführung der Deutschen durch das NS-Regime, eine Ausnahme von der allgemeinen Regel zu verkörpern, das heißt, die radikale Form der repräsentativen Demokratie ohne plebiszitäre Notbremse vorzusehen. Betrachtet man die Erfolgsgeschichte der repräsentativen Demokratie, kann die Tatsache nicht außer Acht gelassen werden, dass sich ihre Etablierung schon in einer relativ frühen Entwicklungsphase eng mit der Entstehung und dem langfristigen Erhalt politischer Parteien verband, sodass es schon bald naheliegend erscheinen mochte, die repräsentative Demokratie als eine Parteiendemokratie zu verstehen. Den politischen Parteien wurde allerdings ein wechselhaftes und keineswegs von dauerhaftem Erfolg gekröntes Schicksal zuteil, was inzwischen zu Problemen führt, die zahlreiche Beobachter dazu veranlasst, von einer "Krise der Parteiendemokratie" zu sprechen. Aufgrund der engen Verbindung zwischen der repräsentativen Demokratie und der Existenz politischer Parteien verschwimmen dabei jedoch häufig die Grenzen zwischen einer die Parteien im engeren Sinne betreffenden Krise und einer Krise der repräsentativen Demokratie im Ganzen, sodass mittlerweile häufig verallgemeinernd von einer "Krise der Demokratie" gesprochen wird. Gesellschaftliche Trenn- und Spannungslinien Bei genauerem Hinblicken erweist sich Folgendes: Den politischen Parteien konnte über längere Zeit die Fähigkeit zugeschrieben werden, die Interessen, Wünsche und Erwartungen verschiedener Bevölkerungsteile zu sammeln und gebündelt in verbindlicher Form an die politischen Entscheidungszentren weiterzuleiten, also als maßgebliche "Input"-Agenturen der Bevölkerung zu fungieren. Die grundlegende Voraussetzung hierfür war allerdings, dass sie die in der Gesellschaft bestehenden Trenn- und Spannungslinien (oder cleavages) zwischen größeren Teilgruppen der Bevölkerung, innerhalb derer relativ einheitliche Wert- und Interessenstrukturen bestanden, in ihren Programmen, in ihren parlamentarischen und/oder außerparlamentarischen Aktivitäten und in der Typik ihrer Repräsentanten abzubilden und gewissermaßen zu "verkörpern" vermochten. In der bewegten Geschichte der deutschen Parteien zwischen dem zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts und dem Parteienverbot durch das NS-Regime von 1933 spiegelt sich das fortgesetzte Bemühen um die Erreichung dieses Ziels eindrucksvoll wider. Dabei machten sich sowohl die soziale Gliederung der Bevölkerung in der sich stürmisch entwickelnden, modernen Industriegesellschaft als auch weltanschaulich-ideologische Komponenten geltend, welche die Bevölkerung teils quer durch die sozialen Trennlinien hindurch spalteten. Ungeachtet erheblicher Schwierigkeiten, die "sozialmoralischen Milieus" der Bevölkerung und die Konstellation der politischen Parteien nachhaltig zur Deckung zu bringen, konnten die meisten Menschen in der Tat über mehrere Jahrzehnte hinweg in den Repräsentanten "ihrer" politischen Partei die legitimen Vertreter ihrer Interessen, Wünsche und Erwartungen sehen und sich mit ihnen problemlos identifizieren. Es konnte deshalb für sie auch selbstverständlich sein, die betreffenden Kandidaten - auch dann, wenn sie nicht von ihnen selbst aufgestellt worden waren - zu wählen und an sie ihre eigenen Souveränitätsrechte zu delegieren, ohne hierbei auch nur den Hauch eines Verlustgefühls zu empfinden. Schließlich konnten sie ja davon ausgehen, dass sie mit der Wahl "ihrer Leute" die wirksamste Möglichkeit für ihre eigene - wenngleich indirekte - Macht- und Entscheidungsteilhabe ergriffen hatten. Die Ausübung des Wahlrechts mitsamt der mit ihr verbundenen Ermächtigung anderer und die eigene Entscheidungsbeteiligung waren für sie somit letztlich ein und dasselbe. Grundsätzlich lag es für sie auch nahe, sich persönlich eng und dauerhaft an die "eigene" Partei zu binden, das heißt Mitglied zu werden und damit das Gefühl einer existenziellen Übereinstimmung deutlich zum Ausdruck zu bringen. Probleme der Parteien im Modernisierungsprozess Tatsächlich bestand diese Konstellation, die sich als die historische Sternstunde der "Parteiendemokratie" bezeichnen lässt, über eine längere Zeitspanne hinweg, die in Deutschland vom Nationalsozialismus unterbrochen wurde und sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst fortsetzte. In der Bundesrepublik spielte hierbei eine Rolle, dass die Parteienentwicklung - auch aufgrund der Möglichkeit, auf Teile des ehemaligen Führungspersonals zurückzugreifen - an die in der Endphase der Weimarer Republik bestehende Parteienkonstellation anknüpfen konnte. Der fortlaufend...

Zustand

Ungelesenes Mängelexemplar mit kleineren Beschädigungen durch Lagerung und Transport; inhaltlich unversehrt! Mit Mängelstempel auf unterem Buchschnitt gekennzeichnet.

ISBN:

9783593509884
3593509881

Erscheinungsdatum:

08.11.2018

Bindung:

Softcover, Paperback