Stimmen vom Berg der Sprachen. Kaukasische Frauen erzählen
Neubuch
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Details zum Buch
Beschreibung
Nachwort Im vorliegenden Buch sind Prosawerke von 42 Autorinnen vereinigt, die 17 verschiedenen Nationalitäten angehören. Die älteste Autorin wurde im Jahre 1851 geboren, die jüngsten Autorinnen 1988. Die älteste Erzählung in unserem Band wurde 1890 geschrieben, die jüngsten Werke 2021. Es ergibt sich eine Zeitspanne von 130 Jahren. Und dennoch ist es nur ein kleiner Zeitabschnitt in der Literatur von Frauen des Kaukasus, da hier im Buch lediglich Prosa präsentiert wird. Ich selbst habe ein Buch unter dem Titel Georgische Autorinnen aus 11 Jahrhunderten (Prosa - Lyrik - Drama), Aachen 2014, mit einer elfjahrhundertelangen Tradition der georgischen Frauenliteratur herausgegeben. Die ältesten Literaturen des Kaukasus (zu denen die georgische, armenische, aserbaidschanische u. a. Literaturen gehören) verfügen über ebensolche jahrhundertelangen literarischen Traditionen von Frauen. Dabei sind gerade Werke von ihnen gewiss eher verloren gegangen, vernichtet, vergessen oder unterdrückt worden als solche von männlichen Autoren. Ab wann haben Frauen im Kaukasus Literatur geschrieben? Diese Frage läßt sich naturgemäß nicht genau beantworten, aber es gibt Hinweise, dass es weit über tausend Jahre sein könnten. Wie komme ich darauf? Die ältesten literarischen Werke der Kaukasier sind mündlich weitergetragene Epen wie das Narten-Epos, Amirani-Epos (Prometheus) sowie Tempelliteratur und anderes. Bei der Untersuchung des nordkaukasischen Nartenepos, dessen Wurzeln bis zum Anfang des 1. Jahrtausends vor Ch. zurückgehen, fiel dem Erforscher des tscherkessischen (adygischen) Narten-Epos Chasin Bratow (Brat Chesin) eine Besonderheit auf: Ein Teil des Werkes muss von eine Autorin verfasst worden sein. Der Autor überließ mir diese Zeilen und ich möchte sie hier in meiner Übersetzung weiterreichen. Urteilen Sie selbst: Die Narten (Auszug) Pschinale der Laschin Amysch (Gott) Mit einer Melodie weckt er uns früh, treibt seine große Herde auf den Hang, Der Narte Amysch, noch rüstig, freit um mich, Mag er auch noch so freien, will ihn nicht. Seine Wangen glänzen vor Fett und Speck, An seinem Hals saugen Milben und Zeck, Amysch von den Narten freit so um mich, Mag er auch noch so freien, binde mich nicht. Tlepsch (Gott) Das Feuer auf seiner Handfläche glüht, Dass es lodert und flammt - ist sein Metier. Tlepsch, der Narten Liebling, freit um mich, Freist du auch vielfach, mit dir geh ich nicht. Morgens muss ich dir richten ein Bad, Wem fällt es zu, dich jeden Tag zu baden? Tlepsch, der Narten Liebling, freit um mich, Mag du auch noch so freien, mit dir geh ich nicht. Schebetynykue (Gott) Du schießt den Pfeil vom Steilhang der Kurp-Höh, Bestichst gar die, die schon Dsylysa erreicht, Der Narte Schebetynykue freit um mich, Mag er auch noch so freien, ich brauche ihn nicht. Im Herbst und Sommer gehen alle auf Jagd, Er ist stets in der Steppe, brauche ihn nicht, Der Narte Schebetynykue freit um mich, Mag er auch noch so freien, ich binde mich nicht. Sosrykue (Hauptgott, der Feuer erbeutet) Sein kleines Pferd Tchueshej ein wenig hinkt, Er selbst ist stählern, auf Du und Du mit dem Gewehr, Auch Sosrykue von den Narten freit um mich, Mag er noch so viel freien, ich brauche ihn nicht. Er ist in Leder gekleidet, ein Hirtensohn, Ein Weiberheld - deshalb will ich ihn nicht. Auch Sosrykue von den Narten freit um mich, Magst du auch noch so freien, ich folge dir nicht. Arykschaue (Gott) Dreißig Ellen Wolle reichen nicht für deine Socken, Wer kann schon weben Wollstoff für dein Gewand?! Arykschaue von den Narten freit um mich, Magst du auch noch so freien, ich folge dir nicht. Lebyzesej, der Knirps Auch Lebyzesej, der Knirps, freit um mich, Magst du auch noch so freien, ich folge dir nicht. Wenn du dich nun verirrst im Gesträuch, Und wo find ich Schuh für dich aus Holz? Auch Lebyzesej, der Knirps, freit um mich, Magst du auch noch so freien, ich folge dir nicht. Echutenydsh Sieben Hosen aus Leder verdarb er bereits, Kein Ende gibts seiner Übel, stets Streit. Der Narte Echutenydsh freit um mich, Mag er auch noch so freien, ich will ihn nicht. Schenuej, Sohn des Kandsh Er scheucht seinen Falben durch das Meer, Vermag 800 gescheckte Pferde zu treiben hierher, Scheuej, der Sohn des Kandsh, freit um mich, Mag er auch noch so freien, ich will ihn nicht, Wie sollt ich seine böse Mutter ertragn? Aschemes Sein weißmaulig Großpferd versteht ihn bewährt, Der Bursche ist wohl gebaut, beherrscht das Gewehr. Aschemes, Sohn des Aschi, freit um mich, Schickte er Reiter zum Werben, ihm folgte ich. Antwort des Aschemes Bist vorletzte Tochter der Guasche der Emyschechen, Erzogen im Kreise von sieben Hexen, von Feen. Dichtest Lieder über die großartigen Narten, Kannst mich noch so rühmen, es wird nichts draus. Bringst nicht mal zusammen Nadel und Garn, Deine Brüste hängen wie bei einer alten Sau, Von deinen Flirts leiden die Sitten - so wird nichts draus. Antwort der Laschin Dein Kettenhemd ist klein wie ein gülden Schild, Willst männlich gelten, bist aber nutzlos als Mann. Aschames, Sohn des Aschi, freit um mich, Magst du auch noch so freien, ich folge dir nicht. Um ehrlich zu sein, begann ich im Jahre 2008 noch völlig mutig, auch naiv mit dem vorliegenden Buch und hatte die Vorstellung, alle Literaturgattungen zu berücksichtigen. Irgendwann aber kam ich zu der Einsicht und Erkenntnis, dass ich mich auf Prosa beschränken sollte. Auf der einen Seite bemerkte ich, dass sich unsere deutschen Leser vor allem für moderne kaukasische Prosa interessierten, andererseits war es kräftemäßig nicht zu bewerkstelligen, die Literatur der Frauen aller kaukasischer Nationen zusammenzustellen, so wie ich es für die georgische getan habe, für die es keine Gesamtdarstellung gab oder gibt. In den nationalen Literaturgeschichten, vor allem der sogenannten kleinen Literaturen, sind vorwiegend die männlichen Kollegen vertreten und daher schwer auffindbar. Als ich in einer Nationalbibliothek (ich verrate nicht welche) explizit nach den besten Erzählungen von Frauen der letzten Jahrzehnte fragte, wurde mir zunächst wieder Prosa von Männern gereicht und angeboten, und erst im zweiten oder dritten Anlauf einige Titel von Frauen genannt. Wie ersichtlich, war es nicht einmal einfach, die weibliche Prosa des 19., 20. und 21. Jahrhunderts zu sammeln (umso schwerer wäre ältere Literatur und Lyrik, Märchen und Fabeln und später Dramen zu präsentieren). Ich suchte mir viele hilfsbereite Mitkämpfer. Besondere Unterstützung erhielt ich von den im Inhaltsverzeichnis benannten vielen Übersetzern vor allem von Pita Tschkala (Pjotr Tschekalow), Subar Inarki (Inarkajewa), Tscharinqal Maäsat (Maazat Tscharinowa), Madina Chakuasche (Chakuaschewa). Sie stellten nicht nur Verbindungen her, sondern halfen auch bei der Beschaffung einiger Geburts- und Todesdaten, was allein schon einen großen Kraftakt darstellte, und bei der Klärung mancher Spezialausdrücke bzw. Realien. Wer einen ersten Blick ins Inhaltsverzeichnis wirft, wird zunächst überrascht sein, wie viele der Nationennamen er wahrscheinlich noch nie gehört hat. Auch die Vor- und Nachnamen der Autorinnen könnten irritieren, so andersartig hören sie sich an. Bei alledem darf der Leser nicht vergessen, dass die weitaus meisten Sprachen im Kaukasus keine indogermanischen (indoeuropäischen) sind mit Ausnahme der armenischen, ossetischen, tatischen, kaukasisch-kurdischen und russisch-kaukasischen Literatur. In den Texten wird außerdem sichtbar, dass die verschiedenen kaukasischen Völker unterschiedliche religiöse Glaubenstraditionen offenbaren. In meinem Buch Die Literaturen der Völker Kaukasiens, Wiesbaden 2003, kann der interessierte Leser auf S. 256 eine Karte der Religionen des Kaukasus (J. Stadelbauer) finden mit Islam, Christentum, Judentum und Relikten vorchristlicher-vorislamischer Religiosität (Volksglaube, Zoroastrismus). Im gleichen Buch sind die heute im Kaukasus verwende...
Verlag:
ISBN:
9783863563882
3863563883
Erscheinungsdatum:
07.10.2025
Bindung:
Softcover, Englisch, Broschüre
Hersteller:
POP
Stuttgarter Str. 98
71638 Ludwigsburg
Deutschland
E-Mail: t.pop@pop-verlag.com
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